Welche Integration? Homogene Gesellschaft als Illusion

Migration

Im Rahmen neuer Perspektiven auf die postmigrantische Gesellschaft findet Ende März in Zürich eine Veranstaltung des Zentrums „Geschichte des Wissens“ der ETH und der Universität Zürich zum Thema „Was kommt nach der Integration?“ statt. Die Veranstalter betonen im Vorfeld, dass die heutige Debatte um den Integrationsbegriff zwangsläufig in eine Sackgasse führe.

 

Nun, von welcher Integration sprechen wir und was steckt dahinter? Ich vertrete hier die These, wonach Integration als solche nicht möglich ist, da sie eine homogene Gesellschaft voraussetzt. Trotzdem oder gerade deshalb wird Integration als Konzept bis heute dazu verwendet, um rund einen Viertel der Bevölkerung von der politischen Mitsprache abzuhalten und dies zu rechtfertigen.

Die gängigen Definitionen von Integration haben eines gemeinsam: Sie setzen ein grösseres Ganzes, eine übergeordnete Ganzheit, eine gesellschaftliche und kulturelle Einheit voraus. Kurz, eine gewisse Homogenität, in die man und frau sich zu integrieren haben. Ähnlich wie im Nationalismus, in dem sich eine Gesellschaft über vermeintliche Gemeinsamkeiten von den vermeintlich anderen abgrenzt. Europa musste zwei Weltkriege und einen Holocaust durchleben, ehe die Gefahren und die Unmöglichkeit dieser vermeintlichen Homogenität erkannt wurden, und die EU den Slogan In Vielfalt geeint wählte. Auch der Bund und die Kantone haben diesen Schritt gemacht und betonen, dass die Integration „alle Mitglieder einer Gesellschaft“ betreffe und „andauere und nicht abgeschlossen“ sei. Und doch kommen im Namen der Integration täglich Einbürgerungskriterien wie beispielsweise die Zugehörigkeit zu einem Verein oder die Kenntnis von Sitten und Gebräuchen zur Anwendung –  Kriterien, denen nach wie vor deutlich diese vermeintliche Homogenität zugrunde liegt. Wie kann das sein?

Integration als zweifelhafte Rechtfertigung

Meines Erachtens verstecken sich hinter dem Konzept der Integration nicht nur die Vorstellung nationalistischer Homogenität, sondern auch gesellschaftliche Machtverhältnisse. Schliesslich geht es bei Einbürgerungen immer auch darum, politische Macht zu teilen. Und wie schwer dies denjenigen fällt, die sich in einer Machtposition befinden, zeigt ein Blick auf das Frauenstimmrecht. Genau wie damals aufgrund verschiedenster Rechtfertigungen den Frauen die politische Mitsprache verweigert wurde, wird heute vielen die politische Mitsprache aufgrund „mangelnder Integration“ verweigert. Während Frauen vor 1971 „zu wenig von Politik verstanden“, sind heute 25 Prozent der Bevölkerung „zu schlecht integriert“. Diese Rechtfertigung im Namen der Integration steht im krassen Gegensatz zum oben erwähnten Wandel des Integrationsbegriffs, welcher sich langsam aber sicher von der Homogenität als Grundlage verabschiedet hat. Gerade in der Schweiz, wo die Bevölkerung von Migration und Vielfalt geprägt ist, scheint die Vorstellung von einer Integration in eine vermeintliche Homogenität absurder und ungerechtfertigter denn je.

Integration als Anpassung? Aber woran denn?

Was kommt nach der Integration?

Heute wird der Integrationsbegriff von Bürgerkommissionen und Gemeindeversammlungen, aber auch im alltäglichen Diskurs instrumentalisiert und dient ausschliesslich zur Ausgrenzung und Dominanz in einem gesellschaftlichen Machtverhältnis. Um aus dieser Sackgasse wieder herauszufinden, müssen sich das Verständnis und der Diskurs der Integration grundlegend ändern. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre, die Integration als Einbürgerungskriterium zu verwerfen und sie als gesamtgesellschaftlichen und fortwährenden Prozess in einer heterogenen Gesellschaft zu verstehen. Denn eine moderne Demokratie verlangt Inklusion und Partizipation anstelle von Ausgrenzung und Dominanz. Die Unmöglichkeit, aber auch der Unwillen, Integration als Assimilation in eine homogene Gesellschaft zu verstehen, werfen somit für den kommenden 25. März folgende Frage auf: Was kommt nach der heutigen, instrumentalisierten Form von Integration?

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