Nachhaltige Entwicklung braucht Ursachenbekämpfung

Entwicklungspolitik

Von Florian Egli – Die Vorbereitungen auf die Verhandlungen der post-2015 Agenda für eine nachhaltige Entwicklung sind in vollem Gange. Der Schweiz bietet sich in der Ausarbeitung der SDGs die Chance einen wertvollen Beitrag zum Wechsel hinzu einer ursachenorientierten Entwicklungspolitik zu leisten.

Am 5.4.2013 war es soweit: noch 1000 Tage bis zum Auslaufen der 2000 auf Initiative des damaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan festgelegten Millenium Development Goals (MDG) der UNO.

Die MDGs sind bis jetzt recht erfolgreich: In vielen Bereichen zeigen sich grosse Fortschritte und kaum eine andere UNO Initiative hat es geschafft so positiv in den Medien und im kollektiven Bewusstsein verankert zu sein. Die unpolitische Zielsetzung, welche einen breiten internationalen Konsens möglich gemacht hat, hat sicher massgeblich zum Erfolg der MDGs beigetragen. Mit dieser unpolitischen Zielsetzung war jedoch auch ein oft vergessener Faktor verbunden: Die Massnahmen der MDGs betreffen beinahe ausschliesslich Entwicklungs- und Schwellenländer und somit den globalen Süden. Die Industrienationen werden lediglich bei der Finanzierung in die Pflicht genommen. Die überwiegende Mehrheit der Ziele der MDGs zielt nämlich auf die Symptome der ungleichen Entwicklung ab, die systemischen Ursachen ungleicher Entwicklung hingegen bleiben unverändert. Die MDGs sind sozusagen die Intensivstation für den Patienten des globalen Südens, der am Leben gehalten werden soll.

An der Rio+20 Konferenz wurde festgehalten, eine post-2015 Agenda mit Sustainable Development Goals (SDG) anstelle einer Neuauflage der MDGs zu formulieren. In der Schweiz erarbeitet darum eine interdepartementale Task Force eine Strategie, die im September 2013 am Special Event der UNGA zum ersten Mal international vertreten werden soll. Die Marschrichtung in der Ausarbeitung der Schweizer Position ist von offizieller Seite her vorgegeben; aktiv, substanziell und brückenbildend soll sie sein. Was könnte das heissen?

Im Jahr 2000 als erste Agenda ihrer Art waren die MDGs durchaus revolutionär. Heute jedoch, wo eine Nachfolgeagenda konzipiert werden soll, fehlt diese visionäre Einstellung. Die kursierenden Ideen für SDGs sind mehrheitlich eine Weiterführung der Strategie der MDGs – verbunden mit einer Ausweitung auf weitere Themenfelder (die SDGs sollen die drei Dimensionen Wirtschaft, Soziales und Umwelt abdecken). Natürlich sollen die Symptome – zum Beispiel in einem ersten Teil der SDGs – weiter bekämpft werden, in einer wirtschaftlich globalisierten Welt sollten jedoch auch die Ursachen, die oft auch in den Industrieländern zu finden sind, ins Visier genommen werden.

Eine Neuausrichtung der globalen entwicklungspolitischen Agenda auf die Ursachen ungleicher Entwicklung wäre eine logische Weiterführung des mit den MDGs  begonnenen Prozesses. Gerade der Ansatz der SDGs, ein breites Spektrum an Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung miteinzubeziehen, bietet eine Gelegenheit, stärker auf die Ursachen ungleicher Entwicklungschancen zu fokussieren und damit auch alle Länder einzubinden.

Solange man sich nämlich in der Entwicklungspolitik auf die Symptome konzentriert, ist es möglich, gleichzeitig eine gegenläufige Wirtschafts-, Klima- und Migrationspolitik zu verfolgen, welche globale Ungleichheiten von der Ursachenseite her unterstützt oder zumindest toleriert. Die entwicklungspolitische Kohärenz bleibt auf der Strecke. Wie in der Gesundheitspolitik ist aber Prävention auch in der Entwicklungspolitik das mit Abstand günstigste und effizienteste Instrument, um eine teure Behandlung auf der Intensivstation zu vermeiden.

Ideen einer solchen Präventivstrategie wären zum Beispiel die Förderung von Primarschul-Bildung, die Liberalisierung der Migrationspolitik, der Abbau von Handelshemmnissen im Primärsektor (Landwirtschaft, Fischfang, Bergbau usw.), internationale Standards zur Bekämpfung von Korruption und Steuervermeidung, Klimawandelverminderung (und nicht nur Anpassung) oder die Förderung von erneuerbaren Energien und einer in Bezug auf natürliche Ressourcen nachhaltigen Wirtschaft.

Besonders die beiden Schwerpunktthemen, bei denen die DEZA jetzt schon die globale Konsultation unterstützt hat – Wasser und population dynamics (und darin besonders der Themenaspekt Migration) – bieten sich an, als Ursache für Ungleichheit und Armut aufgefasst werden. Während es auf der Hand liegt, dass sanitäre Unterversorgung Entwicklung verunmöglicht, wäre es ein innovativer und zutreffender Ansatz, die Exklusion eines grossen Teils der Weltbevölkerung von der Möglichkeit zu Migrieren als eine wichtige Ursache für Armut, ausbleibendes Wachstum und Unterversorgung mit Bildung zu verstehen.

Der Schweiz bietet sich die Möglichkeit ihre Kompetenzen im Rahmen einer Strategie, die ungleiche Entwicklungschancen als ein Phänomen globalen Ursprungs erkennt, einzubringen. Eine solche ursachenbezogene Strategie verlangt gezwungenermassen Anpassungen in allen Ländern. Sie wäre somit brückenbildend, weil sie das klassische Geber-Nehmer Schema zwischen Industrieländern und Entwicklungs- und Schwellenländern, das auch in den MDGs zu finden ist, sprengt. Sie würde die Industrieländer stärker in die Pflicht nehmen, hätte enormes Potenzial in der Bekämpfung ungleicher Entwicklungschancen und wäre ein ernst gemeinter Versuch langfristig und nachhaltig etwas zu verändern.

Ein progressiver Einsatz der Schweiz für ursachenbezogene SDGs böte der Schweiz die Chance, die post-2015 Agenda als aktiver Player mitzugestalten, und einen substantiellen Beitrag im Sinne der Nachhaltigkeit zu leisten.

Florian Egli studiert Volkswirtschaftslehre und Allgemeine Ökologie an der Universität Bern und engagiert sich im foraus-Programm Entwicklungspolitik.

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