Flugticketabgabe – der Bundesrat versteckt sich hinter fragwürdigen Argumenten

Umwelt, Energie & Verkehr

Der Bundesrat hat kürzlich ein Postulat über die Einführung einer Flugticket-Abgabe zur Ablehnung empfohlen. Die Argumente sind jedoch wenig überzeugend, wenn man den grossen Anteil an Kurzdistanzflügen, die ungenügenden Klimaschutzmassnahmen im Flugbereich und die blockierte Diskussion zur Verknüpfung des Schweizer und EU CO2-Emissionshandelssystems (EHS) betrachtet, sowie bedenkt, dass die Nachbarländer bereits eine solche Abgabe eingeführt haben.

Die Schweiz ist sehr mobil und vernetzt. Die internationale Luftfahrt wird als Transportmittel deutlich häufiger genutzt im weltweiten Vergleich und ist für ca. 11% der Gesamtemissionen des Landes verantwortlich (globaler Durchschnitt: 1.3%; EU: 3%; USA: 1%). Aufgrund der Höhe des Ausstosses verursacht der Flugverkehr weitere indirekte Erwärmungs-Effekte. Der internationale Flugverkehr macht daher schätzungsweise über 20% des gesamten Klimaeffektes der Schweiz aus[1].

Die grosse Konkurrenz unter den Anbietern, die wachsende Anzahl an low-cost carriers, der tiefe Ölpreis und internationale Konventionen zur Befreiung von der Mineralölsteuer fördern diesen Trend. Die internationale Gemeinschaft hat erst in den letzten Jahren anerkannt, dass die Flugindustrie bei Klimaschutzmassnahmen einbezogen werden muss. Die Mitglieder der International Civil Aviation Organization (ICAO) haben sich 2016 zu «klimaneutralem CO2-Wachstum ab 2020» verpflichtet. Trotzdem wird der Emissionsausstoss auf ca. 800Mio t CO2 pro Jahr ab 2020[2] geschätzt, weil klimaneutrales Wachstum eben nur bedeutet, dass die CO2-Emissionen nicht weiter steigen dürfen, sondern auf dem Niveau von 2020 verharren müssen. Jegliche Massnahmen vor 2020 könnten diese hohe Zahl von «erlaubten Emissionen» verkleinern.

Die EU hat bisher als einziges Länderkonglomerat den Flugverkehr in ihr EHS eingeschlossen. Wegen des hohen internationalen Drucks musste sie aber alle binnengrenzüberschreitenden Flüge wieder von der Zertifikationspflicht ausnehmen – also auch für die Schweiz. Der Bundesrat argumentiert, dass eine Verknüpfung der beiden Systeme eine viel grössere Klimawirkung habe als eine Abgabe. Tatsächlich würden über 80% der internationalen Flugreisen der Schweiz abgedeckt. Aber trotz abgeschlossener, technischer Verhandlungen ist die Ratifizierung auf beiden Seiten noch nicht erfolgt, sondern wird politisch blockiert. Eine Klimaabgabe wäre demnach eine mögliche Massnahme, die kurzfristig eingeführt werden kann und – vor allem – unilateral und unabhängig von jeglichen internationalen Vereinbarungen.

Der Bundesrat argumentiert zweitens, dass negative ökologische und wirtschaftliche Nebeneffekte zu erwarten sind, weil Passagiere aufgrund einer solchen Abgabe den Abflug ins Ausland verlegen, was zusätzliche Reisewege sowie Mindereinnahmen für die hiesigen Anbieter bedeute. Der Bundesrat ignoriert dabei, dass ca. 30% der Passagiere von/zu einer Destination fliegen, welche weniger als 800km entfernt ist. Genau solche Flugreisen wären also problemlos ersetzbar durch eine ökologischere Transportalternative. Ich erachte das Risiko als gering, dass jemand den Abflug ins Ausland verlegt, um der Klimaabgabe in der Schweiz zu entgehen. Dann würde der Hinweg zu jener neuen Abflugdestination die Reisezeit nämlich verlängern und so das Zeit- und Kostenargument für Kurzstreckenflüge grösstenteils entkräften. Ausserdem kennen die meisten Nachbarländer[3] bereits eine Klimaabgabe. Es ist also vielmehr die Schweiz, welche gemäss dieser Argumentation im Moment zusätzliche Passagiere aus den Nachbarländern anzieht und somit die Klimaschutzwirkung vermindert. Die Klimaabgabe müsste in jedem Fall so ausgestaltet sein, dass die kürzesten Flüge proportional den höchsten Betrag verlangen. Als Lenkungsinstrument wirkt die Abgabe damit korrigierend für die aktuelle Marktverzerrung, weil sie die Kostenwahrheit im Bezug auf die einzelnen Transportmittel erhöht: Alternative Transportmittel zu nahen Destinationen werden wieder attraktiver.

Anna Stünzi promoviert  an der ETH Zürich im Bereich der Klima- und Ressourcenökonomie. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie die Klimawirkung des Schweizer Flugverkehrs. Alle Zahlen und Schätzungen in diesem Blog resultieren aus den statistischen Berechnungen im Rahmen dieser Masterarbeit, basierend auf Daten vom BfS.


[1] Die Klimaallianz spricht von 15%. Bei der Emissionserfassung (gemäss Absatzprinzip) werden die CO2-Emissionen vom Flughafen Basel aber nicht einbezogen, da er auf französischem Terrain liegt. Die 20% beziehen den Flugverkehr von Basel mit ein.

[2] Im Vergleich: die Schweiz emittierte im Jahr 2014 ca. 48Mio t CO2

[3] Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich erheben allesamt eine Flugticketabgabe.