Die Claqueure des Falken: Die Schweizer Finanzelite empfängt den Präsidenten der Deutschen Bundesbank Axel Weber an der Universität Zürich.

Europa

Von Maximilian Stern – Axel Weber, Präsident der Deutschen Bundesbank, wurde an seiner Rede zum Thema „Globale Ungleichgewichte: Herausforderung für die Wirtschaftspolitik“ an der Universität Zürich vom prominenten Schweizer Publikum begeistert beklatscht. Ob der geldpolitische Falke allerdings für Europa und die Schweiz ein so guter EZB-Präsident geworden wäre, ist fraglich.

Am Mittwochabend war an der Universität Zürich die ganze Prominenz der Schweizer Finanzwelt aus der Nähe zu betrachten: alt Bundesrat und heute UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger, Raymond Bär von der Privatbank Julius Bär, Philipp Hildebrand, Präsident der Schweizerischen Nationalbank und wohl viele andere, deren Gesichtern der Öffentlichkeit weniger bekannt sind. Der Hörsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, was mit dem kürzlich angekündigten Rücktritt des prominenten Redners von seinem Amt als Präsident der Deutschen Bundesbank und damit auch mit seinem Verzicht auf die Nachfolge Jean-Claude Trichets als EZB-Präsident zu tun hatte.

Deutscher Falke oder Europäische Taube?

Diejenigen Zuhörer, die sich von einem enttäuschten zurücktretenden EZB-Banker einen Rundumschlag gegen das Europäische Währungssystem erwartet haben, wurden selber enttäuscht. Der Präsident der Deutschen Bundesbank ist zwar als finanzpolitischer Falke bekannt, nicht erst seit er sich im Mai 2010 gegen den Aufkauf von Staatsanleihen hochverschuldeter Euroländer durch die EZB ausgesprochen hat (und damit unterlag). Immer schon sprach er sich für eine grösstmögliche Preisstabilität und gegen jede politisch motivierte Massnahme der Zentralbank aus. Und so forderte Axel Weber am Mittwoch natürlich vor allem, dass die Staaten ihre Wirtschaftspolitiken souverän, pflichtbewusst und vernünftig weiterführten: „Fiskalpolitik muss auch gemacht werden, zurzeit steht jedoch die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund!“

Aber er sagte auch, dass diese auf gemeinsamen Abmachungen, ja gar Europäischen Regeln beruhen sollen. Er forderte keine neuen Regeln für den Euroraum, aber die Einhaltung der bestehenden – gegebenenfalls mit Sanktionen. Er forderte zwar keinen Haircut (also einen Verzicht auf ein Teil der Forderung gegenüber hochverschuldeten Ländern), aber Mechanismen für einen geordneten Staatsbankrott im Euroraum. Und er forderte eine zukünftige Beteiligung der privaten Geldinstitute an Europäischen Staatsbankrotten. „Es gibt keine Krise des Euro“, sagte Axel Weber, mit Verweis auf die zu hohen Defizite und Schuldenstände der Mitgliedsländer, „sondern nur eine Schuldenkrise“. Den Schweizer Falken im Publikum muss der Deutsche Falke wie eine Europäische Taube vorgekommen sein.

Es gibt eben doch eine Eurokrise

Aber selbst wenn Axel Weber sich in seinem Referat für ein gewisses, bescheidenes Mass an europäischer Koordination in der Haushaltspolitik aussprach, so übte er vor allem Kritik an den gegenwärtigen Entwicklungen, indem er gewisse Dinge bewusst ignorierte, die zurzeit auf auf Europäischer Ebene im Vordergrund stehen. Insbesondere blendete er die Tatsache aus, dass es eben tatsächlich eine Eurokrise gibt und dass das gegenwärtige europäische System der gemeinsamen Währung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik tatsächlich ein Schönwettersystem ist. Damit beweist der Bundesbanker, wie kritisch er aus Prinzip einem begrenzten Europäischen Transfergedanken gegenübersteht. Denn eine stabile Währungsunion setzt einen Mechanismus voraus, der im Krisenfall zumindest eine begrenzte Unterstützung der betroffenen Länder durch die Gemeinschaft ermöglicht.

Die Eurozone braucht eine koordinierte Wirtschaftspolitik

Zudem sind Massnahmen notwendig, die dafür sorgen sollen, dass sich Krisen wie diejenige im vergangenen Jahr gar nicht mehr ereignen. Wenn durch die Zinskonvergenz falsche Anreize gesetzt werden, kann man sich im EZB-Rat nicht damit begnügen, den krisengeschüttelten südeuropäischen Ländern zu raten, sie sollten eine verantwortliche Haushaltspolitik und Standortförderung betreiben! Sondern es muss ein umfassendes System von Regeln und Sanktionen auf Europäischer Ebene zur haushaltspolitischen Stabilisierung der Mitgliedsstaaten geschaffen werden, welches aber – genau um Axel Webers Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit nachzukommen – auch durch eine Europäisch koordinierte Wirtschaftspolitik (als Beispiel ist das Rentenalter zu nennen) komplementiert wird. Die nächsten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vom 11. und 24. März in Brüssel werden zeigen, ob es gelingt, ein solches System politisch durchzusetzen. Geschieht dort nichts, wird die Eurozone weiterhin an Attraktivität verlieren und in der nächsten Krise vielleicht weniger Glück haben als 2010. Und auch wenn das Schweizer Publikum am Ende dem Falken applaudiert hatte, so muss es sich ganz genau überlegen, ob es seinem besten Handelspartner dies wünscht.

Maximilian Stern ist Gründungsmitglied und Co-Geschäftsleiter von foraus – Forum Aussenpolitik und lebt in Zürich. Er hat an den Universitäten Zürich und München Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Europarecht studiert.

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