Das Missverständnis der Gegner der Konzernverantwortungsinitiative

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Ein erstes Gegnerkomitee zur Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) verfällt einem unglücklichen Missverständnis. Unter dem Slogan „Erpresserische Klagen Nein“ führt es Kampagne. Der Kovi geht es jedoch nicht primär um Klagen. Im Vordergrund steht eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ein Versuch, dieses Missverständnis zu klären:

Herzstück der Initiative: verantwortungsvolle Unternehmensführung

Die Kovi möchte, dass Schweizer Unternehmen ihre Investitionen und Geschäftsbeziehungen einer menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflicht unterziehen. Dies bedeutet konkret, dass die Unternehmen die nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten ermitteln, verhüten und mildern sollen. In einem öffentlichen Rechenschaftsbericht sollen sie darüber berichten, wie sie gedenken, den nachteiligen menschrechtlichen Auswirkungen zu begegnen. Damit ist das Kernanliegen der Initiative eines des Gesellschaftrechts. Die mit der Geschäftsführung beauftragten Personen sollen explizit internationale Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt auch im Ausland befolgen. Systemrichtig beabsichtig daher auch der indirekte Gegenvorschlag der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) eine Anpassung der aktienrechtlichen Bestimmungen im Obligationenrecht (OR). Die Aufgaben der Geschäftsführer (Art. 810 OR) sowie des Verwaltungsrates (Art. 716a OR) sollen erweitert werden. Die neuen aktienrechtlichen Bestimmungen wären sinngemäss auch auf weitere Rechtsformen wie die GmbH oder die Genossenschaft anwendbar.

Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei der Kovi vor allem um ein Projekt der verantwortungsvollen Unternehmensführung handelt, ist das frisch gegründete „Wirtschaftskomitte für verantwortungsvolle Unternehmen“. Das aus Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende Komitee setzt sich für die Kovi ein. Gemäss einem Mitglied könnten die Forderungen der Initiative – also der sorgfältige Umgang mit Menschenrechten und Umwelt – „ganz einfach” in bestehende Lieferantenbewertungen eingefügt werden.

Verantwortungsvolle Unternehmensführung und Berichtserstattung liegt im Trend

Die Kovi liegt mit ihrer Forderung, dass Schweizer Unternehmen auch im Ausland Menschenrechte und Umwelt respektieren und darüber berichten sollen, im Trend. So müssen beispielsweise in Frankreich seit letztem Jahr grosse Unternehmen Menschen- und Umweltrechtsrisiken identifizieren und einen Bericht über die getroffenen Massnahmen veröffentlichen. Pflichtverletzungen können eine Busse von bis 10 Millionen Euro nach sich ziehen. Falls es aufgrund der Pflichtverletzung tatsächlich zu einer Menschenrechtsverletzung kommen sollte, kann die Busse auf 30 Millionen Euro erhöht werden. Auch mit einer Sorgfaltspflicht und Berichterstattung versehen sind das englische Gesetz gegen moderne Sklaverei und ein ähnlicher australischer Entwurf, welcher Ende November im Oberhaus angenommen wurde.

Die Klage als Element der Kontrolle

Die Auferlegung neuer Pflichten, wie eben der Sorgfaltspflicht, wirft die Frage nach einem Kontrollmechanismus auf. Die Kovi wählt einen Ansatz, welcher Unternehmen motivierten sollte, ihre Pflichten sorgfältig zu erfüllen. Sollte es also zu einer haftungsrechtlichen Klage kommen, kann sich ein Unternehmen entlasten, indem es zeigt, dass es eine Sorgfaltspflichtsprüfung im Sinne des Gesetzes durchgeführt hat. Wiederum steht die eigentliche verantwortungsvolle Unternehmensführung im Zentrum – diesmal als Entlastungsbeweis.

Auch der Klagemechanismus, den die Kovi vorsieht, folgt in seiner Form internationalen Entwicklungen. In Grossbritannien und Kanada sehen sich Muttergesellschaften schon seit geraumer Zeit mit haftungsrechtlichen Klagen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen ihrer Subunternehmen und Zulieferer konfrontiert. Denn aufgrund des common law Rechtssystems können Gerichte den Kreis haftungsrechtlicher Tatbestände unabhängig der Legislative erweitern. Im Sinne unserer Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative, kann hierzulande das Schweizerische Stimmvolk über den Klagemechanismus entscheiden – entweder in der Form der Volksinitiative oder des fakultativen Gesetzesreferendums.