Besser spät als nie: Zum Vorschlag einer Europapolitischen Kommission im Parlament

Europa

Von Maximilian Stern – Hans-Jürg Fehr (SP, SH) schlägt in einem Votum im Tages-Anzeiger vor, eine Europa-Kommission im Parlament einzusetzen. Der Vorschlag wäre einer konstruktiven Mitwirkung des Parlamentes an der Schweizer Europapolitik dienlich.

Belastung der Aussenpolitischen Kommissionen
Zurzeit werden die Themen der Europapolitik grossmehrheitlich in den aussenpolitischen Kommissionen behandelt. Dass diese bereits mit unserem Verhältnis zur EU – welches nicht gerade von bestechender Einfachheit geprägt ist – bereits einigermassen belastet ist, leuchtet  ein. Die restliche Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik darf zudem auf keinen Fall vernachlässigt werden, sie ist vielleicht in Anbetracht der gegenwärtigen Blockade in den bilateralen Verhandlungen sogar noch wichtiger geworden. Abkommen mit den Aufstrebenden Staaten Asiens und Südamerikas, sowie wichtige Dossiers mit den USA sind für die Schweiz essentiell. Alleine aus diesen Gründen scheint es einleuchtend, dass das Schweizer Parlament für europäische Angelegenheiten eine eigene Kommission bilden sollte – quasi als Pendant zum Integrationsbüro des Bundes, welches auf Verwaltungsseite das Europadossier behandelt. Dieses ist ebenfalls geprägt durch eine gewisse institutionelle Trennung vom Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) und wird bislang gemeinsam mit dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement geführt (wenn wohl auch nicht mehr lange, die vollständige Überführung ins EDA ist jedoch nicht unumstritten).

Das Europäische Parlament gewinnt an Einfluss

Noch augenfälliger wird das Bedürfnis nach einer Europakommission, wenn ein Blick auf die Parlamentarischen Delegationen geworfen wird. Die Delegation, welche für die Kontakte zum Europäischen Parlament zuständig ist, hat gleichzeitig auch die Vertretung im Parlamentarierkomitee der EFTA inne. Erstaunlicherweise setzt sich die Delegation aus gerade mal fünf ordentlichen Mitgliedern der Bundesversammlung zusammen. Die Delegation trifft sich einmal jährlich mit der zuständigen Delegation des Europäischen Parlamentes. 2009 ist das Treffen aufgrund der Europawahlen ausgefallen. Im gleichen Jahr wurde offensichtlich, dass mit dem Vertrag von Lissabon das Europäische Parlament deutlich an Einfluss gewinnen würde, die Intensivierung der Kontakte zu diesem Parlament mit seinen 736 Abgeordneten also notwendig sein wird. Dies hatte Brigitta Gadient (BDP, GR) bereits im Abschlussbericht Ende 2009 festgehalten. Der Jahresbericht für 2010 ist auf der Seite der Delegation leider noch nicht abrufbar, doch eine seither eingetretene Meinungsänderung wäre überraschend.

Erleichterter regelmässiger Austausch

Die Parlamentarischen Delegationen sind rechtlich gesehen Spezialfälle von Kommissionen und vertreten nach Art. 60 ParlG die Bundesversammlung im bilateralen Verkehr mit Drittstaaten. Würde eine ständige Europapolitische Kommission eingesetzt, könnte dies den regelmässigen Austausch auf parlamentarischer Ebene erleichtern. Die Einsetzung von Kommissionen bedeutet eine Spezialisierung von Parlamentariern, was einem ohnehin nicht sonderlich spezialisierten Milizparlament nicht abträglich sein kann. Dass die Exekutive einer stärkeren Mitsprache des Parlamentes in ihren Domänen skeptisch gegenübersteht, ist kein Gegenargument, wenn die Schweiz mit gutem Beispiel voranzugehen wünscht und eine stärker demokratisch legitimierte Europapolitik verfolgen will.

Besser spät als nie

Fraglich ist, weshalb eine Europakommission nicht schon viel früher ins Leben gerufen worden ist. Dann hätte man vermeiden können, dass unser Parlament in Berichten und Zeitungsartikeln immer wieder zu Protokoll gibt, man sei „erst jetzt daran, unsere Kontakte mit dem EU-Parlament zu intensivieren“, wie es Hans-Jürg Fehr ausdrückt. Hindernisse und Gefahren bei der Umsetzung des Fehr’schen Vorschlages – der zusätzlichen Aufwand für die Fraktionen, sowie ein möglicher Abzug hochkarätiger Aussenpolitiker aus der APK in die neue Kommission – sollten nicht übersehen werden. Trotzdem überwiegt die Hoffnung, dass mit dem Einsetzen einer Europapolitischen Kommission vom Parlament mehr konstruktive Vorstösse und weniger Plattitüden zum wichtigsten aussenpolitischen Dossier des Landes zu vernehmen wären.

Maximilian Stern, ist Geschäftsführer von foraus – Forum Aussenpolitik und lebt in Zürich. Er hat an den Universitäten Zürich und München Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Europarecht studiert.

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