Sotschi mit Schweiz: Ein kluges „Njet“ zum Boykott

International Law

Didier Burkhalter und Ueli Maurer reisen aller Kritik zum Trotz nach Sotschi an die Olympischen Spiele. Die Schweiz hält sich raus aus dem Boykott westlicher Politiker. Der Entscheid dürfte klüger sein als beabsichtigt.

 

Die grüne Nationalrätin Aline Trede war die erste, die einen Olympia-Boykott durch die Schweizer Regierung forderte – aus Solidarität mit unterdrückten homosexuellen Menschen in Russland. Sie sei von russischen Lesben- und Schwulenorganisationen darum gebeten worden. Kurz darauf schloss sich ihr Jaqueline Fehr an. Die Antwort Didier Burkhalters und insbesondere die von Ueli Maurer vergangene Woche waren absehbar. Ueli Maurer hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass er keine Berührungsängste kennt mit Regierungen, die wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen. So sagte Ueli Maurer bezüglich eines Sotschi-Boykotts gegenüber dem SonntagsBlick: „Es gibt genug Möglichkeiten, um gegen Russland oder bei Russland zu protestieren. Man kann das auf einer Konferenz tun, bei der Uno, irgendwo – aber bitte nicht im Sport. Das ist billig.“

Russische Organisationen rufen zum Boykott auf: Spiel mit dem russischen Wort für Boykott und den olympischen Ringen.

Ueli Maurer hat ganz offensichtlich nicht verstanden, dass Putin mit Olympia Politik macht. Das kann man befürworten oder kritisieren – aber Sotschi ist ein politisches Prestigeprojekt inklusive inszenierter Medienkampagne. In ganz Sotschi hängen Plakate mit Slogans wie „Es sind deine Olympischen Spiele!“ Nach dem Zusammenfall der Sowjetunion soll sich Russland im Jahr 2014 der Welt beweisen. Putin wäre bei einer Absage der Schweiz  wohl im Stolz verletzt, würde sich ungerecht behandelt fühlen und den Entscheid im Hinterkopf behalten, aber an seiner Politik nichts ändern. Genauso, wie der grosse Boykott bei den letzten olympischen Spielen in Russland 1980 nichts an dessen Politik verändert hat.

„Homosexueller Westen“

Die Boykottbefürworter im Westen sind überzeugt, dass die Homophobie in Russland von Putin gemacht ist. In diesem Urteil täuschen sie sich jedoch. Putin macht sich lediglich eine Grundstimmung für seine Abgrenzungspolitik gegenüber dem Westen zu Nutze. Denn weite Teile der russischen Gesellschaft haben sehr klare Rollenbilder, in der Homosexualität keinen Platz findet. Ein Beispiel direkt aus Sotschi: Bei einer Pressetour durch die olympischen Bauten trafen diesen November Journalisten aus Westeuropa auf russische Medien, wie zum Beispiel vom Fernsehsender „Russland 24“. Ein Moderator geriet sich mit einem deutschen Journalisten über das Thema „Homosexualität“ in die Haare. Trotz Vermittlungsversuche endete die Diskussion mit der Aussage: „Das sind Versuche der Homosexuellen-Lobby um Einfluss zu gewinnen. Das machen die auch ständig in Moskau!“ Diese wirren Verschwörungstheorien sind leider bitterernst gemeint. Bei einem Boykott durch westliche Staatsvertreter wäre dies die Kommunikation durch die russischen Mainstream-Medien: Homosexualität komme aus dem Westen. Ein „richtiger“ russischer Mann und eine „richtige“ russische Frau würden so etwas niemals tun.

Boykott ohne Wirkung

Derweil ist die politische Opposition in Russland gespalten bezüglich des Olympiaboykotts. So möchte der kürzlich freigekommene Chodorkowski Olympia nicht ganz Putin überlassen. Andere würden einen Boykott begrüssen,, auch wenn sie dessen Wirkung als gering einschätzen „Leider würde eine Mehrheit der russischen Bevölkerung ein Boykott gar nicht wahrnehmen und sich fragen: Wieso kommt das Land von Ikea nicht?“ stellt eine russische Freundin von mir trocken fest. Ein Boykott der Schweiz würde demzufolge nicht zu einem Umdenken in der Bevölkerung führen.

Vielmehr würde es der anti-westlichen Propaganda Putins in die Hände spielen. Von diesem Standpunkt aus ist die Entscheidung der Schweizer Regierung richtig, auch wenn sie aus anderen Gründen erfolgt. Und machen wir uns nichts vor: Die Boykotts anderer Staatschefs erfolgt nicht alleine aus Solidarität mit homosexuellen Menschen. Edward Snowden dürfte für Barack Obama ebenso ein Grund zum Boykott sein. Denn in Sachen Propaganda ist Putin nicht ganz allein.