FIFA: Warum die Schweiz nun kein hektisches Spiel spielen sollte

In den vergangenen Wochen konnte sich die FIFA kaum noch aus den negativen Schlagzeilen retten. Die hiesige Politik tut gut daran, sich gerade in der Debatte um die Revision des Korruptionsstrafrechts bedächtig zu positionieren. Denn Problemstellung und –lösung gehen über die Fifa-Hektik hinaus.

 

Korruption, Menschenrechtsverletzungen beim Bau von Stadien in der katarischen Wüste, massloser Luxus am Zürichberg: Die FIFA und ihr Walliser Noch-Präsident Sepp Blatter stehen in der Kritik. Werden die Vorwürfe an den nach Schweizer Recht organisierten Verein zum Problem für die Schweiz?

Dazu ein kurzer Blick zurück: Noch bevor die jährliche Vollversammlung mit 2000 Funktionären und Medienschaffenden aus aller Welt richtig startete, wurden am Morgen des 24. Mai 2015 im Zürcher Baur au Lac sieben FIFA-Funktionäre wegen Verdacht auf Korruption auf Antrag der US-Justizbehörden von Schweizer Ordnungshütern verhaftet. In der Folge kam der Ball so richtig ins Rollen: Weitere Verhaftungen von hochrangigen FIFA-Funktionären in Zentralamerika folgten; Ermittlungen gegen die FIFA und ihre Funktionäre unter anderem in Grossbritannien und in Australien wurden angekündigt. Kein Wunder forderten Medien und immer mehr Fussball-Vertreter öffentlich den Rücktritt von Sepp Blatter. Der 79-jährige Blatter liess sich dennoch wiederwählen – um kurz danach am 2. Juni seinen Rücktritt anzukündigen. Zufälligerweise nur einen Tag danach tagte in Bern der Ständerat, um über eine Verschärfung des Korruptionsstrafrechts – von einigen Medien und Parlamentariern „Lex Fifa“ genannt – zu debattieren. Der Bundesrat schlug die Einführung eines – von Amtes wegen zu ahndenden – Straftatbestandes der Privatkorruption vor.

Ständerat bleibt bedächtig

Laut Bericht des Bundesrats zur Revision des Strafrechts scheinen insbesondere die Vergaben der Fussballweltmeisterschaften für die Jahre 2018 (Russland) und 2022 (Katar) den Handlungsbedarf augenscheinlich gemacht zu haben. So ziehen die Vergaben unter geltendem Recht keine beziehungsweise nicht zwingend strafrechtliche Folgen nach sich: Bestechung im privaten Bereich ist heute nur strafbar, solange sie im Falle einer Konkurrenzsituation zu Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) führt.

Wie weiter? (Quelle: Flickr, Patrick Tschudin, Lizenz)

Die Ereignisse der letzten Wochen zeigten in aller Deutlichkeit auf, welche Konsequenzen eine unzulängliche Gesetzgebung nach sich ziehen kann. Dennoch liess sich die kleine Kammer nicht vom Gebaren der Kritiker beeinflussen und entschied sich für eine gemässigte Variante. Man solle nicht zu einem reinen FIFA-Tribunal verkommen, forderte beispielsweise Stefan Engler (CVP, GR), zumal es bei der Revision des Korruptionsstrafrechts nicht nur um die aktuellen Geschehnisse gehe. Die Einführung eines entsprechenden Straftatbestandes im privaten Bereich blieb zwar auch im Ständerat weitgehend unbestritten. Hinsichtlich der Ahndung dieser Straftat machte er aber einen entscheidenden Antrag: Um Strafverfahren in Bagatellfällen vermeiden zu können, solle Privatkorruption, wo keine öffentlichen Interessen gefährdet scheinen, lediglich auf Antrag, also durch einen „privaten“ Kläger, verfolgt werden.

Damit relativiere sich allerdings die ganze Strafverfolgung in Korruptionsangelegenheiten. Es werde entleert, was mit der Änderung eigentlich angestrebt wurde, kritisiert Justizministerin Simonetta Sommaruga. Hat Sommaruga recht? Betreibt der Ständerat mit seinem Vorschlag lediglich Kosmetik? Und hätte nicht bereits früher auf Schlupflöcher in der Gesetzgebung reagiert werden müssen?

Chance verpasst, aber…

Nicht nur die FIFA, sondern notabene auch die Schweiz geriet durch die Affäre in die Kritik. Das ist grundsätzlich noch kein Grund zur Hektik: Die Planung von Gesetzgebungsarbeiten kann sich ohnehin nicht strikte und ausschliesslich nach solchen Vorfällen richten. Das Parlament soll nicht ausschliesslich die Fieberkurve der Tagespolitik senken, sondern vielmehr die Grundproblematiken langfristig und mit Augenmass angehen. Doch in Anbetracht der zeitlichen Parallelitäten zwischen parlamentarischer Beratung und Skandal mag es klar erstaunen, dass sich der Ständerat dem Thema gegenüber trotz hoher Wellen in den Medien und einigen markigen Stimmen in der Wandelhalle des Bundeshauses bedächtig positioniert und eine gemilderte Variante des Vorschlages gutheisst.

Spielt es denn eine Rolle, ob Privatkorruption durchwegs als Offizialdelikt ausgestaltet wird oder ob eben in weniger schwerwiegenden Fällen ein Geschädigter als Kläger existieren muss? Der Ständerat hat mit seinem Entscheid für die abgeschwächte Vorlage des Korruptionsstrafrechts eine erste Chance verpasst, ein klares Zeichen für Transparenz zu setzen. Die restriktivere Variante – d.h. die konsequente Ausgestaltung des Tatbestandes als Offizialdelikt – würde sehr wahrscheinlich weniger zu Abgrenzungsfragen führen und damit letztlich zu mehr Rechtssicherheit beitragen. Insbesondere scheint unklar geblieben, wie noch vor der Eröffnung eines Strafverfahrens und damit quasi vom Schiff aus über das Vorliegen eines öffentlichen Interessens entscheiden werden sollte. Würde nun  auch der Nationalrat dem Entscheid der kleinen Kammer folgen, wird sich letztlich in der Anwendung zeigen müssen, ob die Strafverfolgungsbehörden es verstehen werden, nach Kenntnisnahme möglicher illegaler Vorgänge öffentliches Interesse auszumachen, um im Anschluss gegen Privatkorruption vorgehen zu können.

… die Frage geht über den Fifa-Skandal hinaus.

Inwiefern mit den geplanten Änderungen des Korruptionsstrafrechts in Sportverbänden dem Problem tatsächlich beizukommen ist, erscheint aber grundsätzlich fraglich. Denn selbst bei einem Offizialdelikt müssen die Justizbehörden zuerst von den illegalen Vorgängen Kenntnis erhalten. Da es bei der Bestechung Privater oft kein unmittelbares Opfer gibt, ist dies unter Umständen schwierig.

Was bezüglich dem Korruptionsstrafrecht noch anfallen wird, geht daher über den FIFA-Skandal hinaus. So ist die Affäre lediglich Ausfluss, nicht aber Ursache des Problems. Statt also in FIFA-Hektik auszubrechen und „Spezialgesetze“ zu diskutieren, sollte man sich vielmehr überlegen, wie man zukünftig im Grundsatz mit (Privat-)Korruption umgehen will. Wo Entscheidungsmechanismen wenigen Leuten zustehen und interne Abläufe im Dunkeln bleiben, besteht stets Nährboden für Bestechungsversuche und –erfolge. Punkte, die es klar zu revidieren gilt. Es wäre daher zentral, die Diskussion über den Schutz von Whistleblower oder diejenige über taugliche Organisationsformen bedeutender Sportverbände voranzutreiben. Nur eine umfassende Regulierung bzw. gesetzliche Reform würde Transparenz und Abhilfe der bestehenden Problematik um u.a. die FIFA schaffen.

Im Interesse der Schweiz

Die Kritik der internationalen Medien, welche die Schweiz bereits als Hafen für Geldwäscherei und Korruption bezeichneten, ist letztlich vor allem Polemik, gibt es doch hierzulande vergleichsweise wenig effektive Korruptionsfälle. Dennoch tut die Schweiz gut daran, die Geschehnisse am Zürichberg zu beobachten. Rund 60 internationale Sportverbände haben in der Schweiz ihren Hauptsitz. Diese bringen unter anderem qualifizierte Arbeitskräfte, Steuern und Tourismus. So sorgten die internationalen Sportverbände 2013 beispielsweise für rund 32‘000 Geschäftsreise-Übernachtungen. Und das lohnt sich für die hiesige Wirtschaft: Die in der Schweiz angesiedelten internationalen Sportverbände sorgten zwischen 2008 und 2013 jährlich für eine Wertschöpfung in der Höhe von rund einer Milliarde.

Die internationale Sportwelt in der Schweiz zu wissen, bringt nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht Vorteile: Die Dichte an internationalen Akteuren und Konferenzen verhelfen der Schweiz und insbesondere der Romandie, weltweit die Spitzenreiterin in diesem Bereich zu bleiben. Auf diese Weise erhält die Schweiz auf dem internationalen Politparkett zusätzliches Gewicht, welches ihr unter anderem eine effizientere Umsetzung ihrer aussenpolitischen Ziele erlaubt.

Die Schweiz hat also ein klares Interesse, die internationale Sportwelt auch weiterhin zu beheimaten. Umso mehr sollte sie auch an einer intakten Reputation der hierzulande angesiedelten (internationalen) Sportverbände und deren Befreiung von kriminellen Machenschaften interessiert sein. Es ist nicht anzunehmen, dass die Standortattraktivität der Schweiz lediglich aus Gründen eines verschärften Korruptionsstrafrechts oder restriktiveren Anforderungen an die Regelung im Bereich des Gesellschaftsrechts leiden würde. Einzig durch ein proaktives Handeln wird es der Schweiz gelingen, die Kritik der internationalen Medien als haltlos zurückzuweisen, ihr gutes Image zu erhalten sowie weiterhin Gastgeber für die internationalen Sportorganisationen bleiben zu können.