Ausgetrickst? Die Schweiz muss sich am Kampf gegen Steuertricks multinationaler Konzerne beteiligen

Financial place

Von Regula Hess und Andreas Weber  Am G20-Treffen in Moskau zeigten sich die Finanzminister ent- schlossen, die Steuerminimierungspraxis internationaler Unternehmen zu bekämpfen. Die Schweiz muss in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen handeln und darf nicht länger die Karte „Abwarten“ spielen.

Die Finanzminister Deutschlands, Grossbritanniens und Frankreichs fanden am G20-Treffen Ende letzter Woche harte Worte, um die Steuerminimierungspraxis Multinationaler Unternehmen zu verurteilen. Diese Praxis ist zwar weitgehend legal, wird jedoch von der OECD in ihrem jüngsten Bericht explizit als Problem anerkannt. Ohne konkrete Massnahmen stehe nichts weniger als die Integrität der Unternehmenssteuer auf dem Spiel. Die in den letzten Jahren publik gewordenen Fälle von Grosskonzernen wie Starbucks, Amazon,Apple und Google, welche trotz hohen Gewinnen nur sehr geringe Steuern bezahlen, haben somit auf höchster politische Ebene Reaktionen ausgelöst.

Politisch und ökonomisch schädliche Situation

Multinationale Unternehmen nutzen die Steuerschlupflöcher an der Schnittstelle national organisierter Steuergesetzgebungen rigorose aus und verschieben Gewinne gezielt in Niederlassungen in besonders steuergünstigen Länder (Profit Shifting). Somit kann die Gesamtsteuerlast des Konzerns minimiert werden. Die derzeitige Situation ist nicht nur aus moralischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht problematisch. Multinationale Konzerne verfügen gegenüber national tätigen Unternehmen über einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil, da sie via Profit Shifting ihre Steuerlast tief halten können. Gemäss OECD droht diese Diskriminierung die Steuermoral anderer Unternehmen sowie der Bürger/innen zu untergraben. Die Möglichkeit der internationalen Steuerminimierung kann zudem zu einer ineffizienten Ressourcenallokation führen, da Investitionen nicht da getätigt werden, wo sie aus ökonomischer Sicht (und vor Steuern) am produktivsten sind, sondern dort, wo die Gewinne nach Steuern am höchsten ausfallen.

Die Gewinner/innen der derzeitigen Situation sind die Konzerne beziehungsweise deren Aktionär/innen, während weniger mobile Unternehmen und die Bürger/innen letztendlich die Steuerausfälle kompensieren müssen. Die Schweiz scheint dank dem Zuzug vieler multinationaler Unternehmen temporär zwar Nutzniesserin des Systems zu sein. Es mehren sich jedoch Stimmen, wonach auch der Schweiz aufgrund desProfit Shiftings Steuereinnahmen entgehen. In Anbetracht der Tatsache, dass Google dank Steuertricks einen globalen Steuersatz von 3,2% erreichen konnte, erscheint solchen Unternehmen auch der niedrigste Schweizer Steuersatz von 12,7% in Nidwalden noch hoch.

Aktive Schweizer Politik nötig

Der Druck auf die Schweiz, Steuerprivilegien insbesondere für Holding- und Verwaltungsgesellschaften abzuschaffen, wird in den kommenden Monaten zunehmen. Bereits für den G8-Gipfel vom nächsten Juni wird die OECD einen Aktionsplan erarbeiten, welcher Gegenmassnahmen aufzeigen und konkrete Implementierungsziele definieren soll. Im gleichen Monat läuft das Ultimatum aus, welches der EU-Ministerrat der Schweiz im letzten Dezember bezüglich Sonderbesteuerung multinationaler Unternehmen gestellt hat.

Die Schweiz täte gut, diese Entwicklungen nicht nur als gezielte Drohkulisse gegenüber einem Kleinstaat zu interpretieren. Vielmehr handelt es sich um einen Richtungswechsel wichtiger Industrieländer, welche erkannt haben, dass in einer globalisierten Weltwirtschaft ohne Koordination die Zielsetzungen nationaler Steuergesetzgebungen untergraben werden.

Ohne vorausschauendes Handeln droht der Schweiz langfristig eine ähnliche Situation wie 2009 im Falle des Bankgeheimnisses, wo sie sich über Nacht auf einer unrühmlichen Schwarzen Liste wiederfand. Vorschläge wie die Senkung des Steuersatzes für alle Unternehmen müssen dabei unter der Perspektive evaluiert werden, dass längerfristig nur noch Profite, die auch in der Schweiz erwirtschaftet worden sind, hier besteuert werden. Die Schweiz könnte dabei von internationalen Bestimmungen zur Regulierung des Steuerwettbewerbs durchaus profitieren, da sie dank der Infrastruktur, des Humankapitals, der Lebensqualität und der Dichte multinationaler Unternehmen über wertvolle alternative Standortsvorteile verfügt. Die Bundesrat sollte daher die gegenwärtige Situation nutzen und sich zusammen mit der OECD aktiv für eine globale Regulierung einzusetzen.

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