Überdepartementale Umweltpolitik – sieben Lunchdates für ein Halleluja

Environnement, transports et énergie

Ein offener Brief an Frau Bundesrätin Sommaruga, neue Vorsteherin des UVEK

Der Klimawandel ist spätestens mit dem vergangenen Hitzesommer im Bewusstsein der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik angekommen. Weltweit finden Schülerstreiks für durchgreifenden Klimaschutz statt. Mittlerweile wird mehr in erneuerbare als in nicht-erneuerbare Energieprojekte investiert. Und die Weltgemeinschaft hielt Wort, indem sie in Polen ein solides Regelwerk für das Pariser Abkommen ausgehandelt hat. Mit dem Entscheid des Nationalrates zum CO2-Gesetz hat demgegenüber die Schweiz international viel Erstaunen und Unverständnis ausgelöst. Das Aufschieben von ambitionierten Zielen ist nicht nur enttäuschend, sondern vielmehr verantwortungslos. Es ist Zeit zu handeln.

Umwelt-, Verkehrs-, Energie- und Kommunikationspolitik ist stark mit Aussenpolitik verbunden. Die Schweizer Diplomatie hat zum Erfolg des Pariser Abkommens beigetragen, die ÖBB betreibt die Nachtzugstrecken durch die Schweiz und das Energieabkommen ist an das Rahmenabkommen mit der EU gekoppelt, um nur einige Beispiele zu nennen. Dossiers sind über Departementsgrenzen vernetzt. Nach drei Monaten Einarbeitungszeit schlagen wir Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesrätin, darum eine Woche voller Mittagessen mit Ihren BundesratskollegInnen zu aussenpolitischen Themen vor.

Grüne Bank

Mit Bundespräsident Maurer könnte die Rolle des Bundes bei grösseren Finanzierungsprojekten Thema sein. Die Schweiz hat zugesagt, bis im Jahr 2020 jährlich 450 Mio US$ für ihren Anteil an der internationalen Klimafinanzierung zu mobilisieren. Erfahrungen aus Deutschland, Grossbritannien und Australien haben gezeigt, dass Investitionen in klimafreundliche Technologien durch eine Green Investment Bank (GIB) massiv beschleunigt werden können. Eine Schweizer GIB könnte, in enger Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, die technischen Kompetenzen stellen, die notwendig sind, um erste Leuchtturmprojekte neuer Technologien und damit Leistungsausweise und Erfahrungswerte zu realisieren.

Klimadaten für Unternehmen

Die Forschung zu Umweltthemen an Schweizer Universitäten ist auf einem internationalen Spitzenniveau, das ETH Departement für Umweltsystemwissenschaften beispielsweise ist an der Weltspitze. Das reicht aber nicht. Mit Bundesrat Parmelin könnten Sie besprechen, wie man die Nutzung von Klimadaten nicht nur für die Forschung, sondern auch für Unternehmen besser unterstützen kann. Ein spannendes Thema wäre ausserdem, wie die zukünftige Aussenhandels- und Agrarpolitik auf einander abgestimmt sein müssen, um mit der von der Schweiz unterstützten Agenda 2030 kompatibel zu sein.

Klimakompetenz in der Armee

Die Schweiz ist überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen und muss sich auf stärkere Regenfälle, längere Hitzeperioden und mehr Katastrophenfälle einstellen. Das VBS muss lernen damit umzugehen. Solche Erfahrungen wiederum könnten international genutzt werden. Mit Bundesrätin Amherd wäre darum zu diskutieren, ob die Schweiz zusätzliche technische Unterstützung leisten könnte für Anpassungsmassnahmen und Katastrophenschutz in Entwicklungsländern.

Klimaklagen vorbeugen

Mit Bundesrätin Keller-Sutter könnten Sie untersuchen, wie Klimaklagen ein neues Druckmittel auf internationale Unternehmen und die Schweiz darstellen, wie z.B. der Erfolg des peruanischen Bauern gegen RWE zeigt. Auch in der Schweiz wurden bereits Klimaklagen eingereicht, so zum Beispiel von den Klimaseniorinnen. Haftungsansprüche aufgrund zunehmender Naturkatastrophen können Schweizer Versicherungsgesellschaften in Bedrängnis bringen und die rechtliche Situation von Finanzinstituten in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien wird über die Politik hinaus diskutiert.

Altersvorsorge ohne Klimarisiken

Teuer könnte es auch für Pensionskassen und damit die Schweizer Bevölkerung werden, wenn ihre Anlagen aufgrund veränderter politischer Rahmenbedingungen oder klimabedingter Schäden stark an Wert verlieren. Die Unterstützung mit Klimastress-Tests schafft Transparenz und zeigt Handlungsfelder auf. Darüber hinaus könnten Sie mit Bundesrat Berset über die treuhänderische Pflicht von Pensionskassen und Sozialversicherungen sprechen – dabei sollte auch die Möglichkeit, über Aktien-Stimmrechte Einfluss zu nehmen, zur Sprache kommen.

Kohärente aussenpolitische Agenda

Mit Bundesrat Cassis schliesslich könnten Sie über Kohärenz sprechen. So sollte die nationale Politik vereinbar sein mit den Zielen, welche die Schweizer Klima-Delegation international vorantreibt. Im Falle einer definitiven Entscheidung, Schweizer Emissionsreduktionen im Ausland zu ermöglichen, müsste die Schweiz deshalb besorgt sein, Additionalität und Einmaligkeit solcher Emissionsanrechnungen sicherzustellen. Dazu könnte sie beispielsweise anbieten, ein transparentes, umfassendes Register für alle Kompensationsprojekte, Zertifikate und die jeweiligen „Abnehmer“ aufzubauen. Den gewährten Beobachterstatus im Arktisrat könnte die Schweiz ausserdem gezielt nutzen, um neue Ideen und Projekte einzubringen für den Schutz der Biodiversität in der polaren Region, welche durch das zurückgehende Eis immer stärker erschlossen wird.

Wir freuen uns auf die Diskussionen!

Nach den sechs Mittagessen mit den BundesratskollegInnen bleibt der Sonntag. Da würden wir Sie gerne selbst einladen, und darüber sprechen, wie die Zivilgesellschaft aktiv einbezogen werden kann. Ausserdem gibt es viele weitere aussenpolitische Themen in Ihrem Departement, über die es sich lohnt zu sprechen: der Schutz der Biodiversität der trotz internationalen Regelwerken nicht vorankommt und wo die Vertretung durch eine Bundesrätin an der entsprechenden internationalen Staatenkonferenz (Conference of the Parties for the Convention on Biological Diversity) ein bedeutsames Zeichen wäre. Oder das wachsende Mobilitätsbedürfnis, welches planetare Belastbarkeitsgrenzen sprengt. Wir freuen uns auf die Diskussion!

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