ACCTS: Ein Handelsabkommen im Dienst der Nachhaltigkeit

Am 15. November 2024 haben die Schweiz, Costa Rica, Neuseeland und Island zusammen das „Agreement on Climate Change, Trade and Sustainability“, kurz ACCTS, unterzeichnet. Das Abkommen ist eines der ersten, welches explizit Umwelt- und Handelspolitik verbindet. Doch in Zeiten geprägt von Aufrüstung, aufstrebendem Autoritarismus und wirtschaftlicher Unsicherheit scheint der Klimawandel vergessen. Ist ACCTS schon von vornherein zur Bedeutungslosigkeit verurteilt?

Handel

Environnement, transports et énergie

Ein neuartiges Abkommen – mit altbekannten Elementen

Die ACCTS-Verhandlungen wurden 2019 von Neuseeland, Fidschi, Costa Rica und Norwegen lanciert, die Schweiz stiess 2020 dazu. Fidschi zog sich im Laufe der Verhandlungen aus Ressourcengründen zurück, während Norwegen eine Unterzeichnung noch in Erwägung zieht. ACCTS beschäftigt sich im Wesentlichen damit, wie handelspolitische Instrumente zu Klima- und Umweltpolitik beitragen können, und greift dabei in mehreren Fällen Lösungsansätze auf, die bisher auf multilateraler Ebene gescheitert sind.

Unter ACCTS werden 360 Umweltgüter von Zöllen befreit, und der Marktzugang für 114 umweltfreundliche Dienstleistungen erleichtert. Die im Abkommen aufgelisteten Güter und Dienstleistungen müssen massgeblich zu Nachhaltigkeitszielen beitragen, wie zum Beispiel Klimaschutz, nachhaltiger Ressourcennutzung oder Kreislaufwirtschaft. Ein multilaterales Abkommen an der WTO, welches umweltfreundliche Güter und Dienstleistungen liberalisiert, wurde zuvor wegen Uneinigkeiten über die Definition von „Umweltgütern“ auf Eis gelegt. Hier bietet ACCTS einen möglichen Ansatz, der im Falle von weiteren Beitritten als Präzedenzfall dienen könnte. Die Liste, welche ACCTS angehängt ist, soll laufend erweitert werden.

Ähnlich verhält es sich beim Abbau von Subventionen für fossile Energieträger. Die Bemühungen um ein Abkommen diesbezüglich gehen an der WTO nur schleppend voran. ACCTS verbietet besonders schädliche Subventionen fossiler Energien, wie zum Beispiel Subventionen für Kohle, und verpflichtet die Parteien, keine neuen Subventionen für fossile Energien zu schaffen oder auszuweiten. Somit ist ACCTS das erste bindende internationale Abkommen, welches bestimmte fossile Energiesubventionen verbietet. Allerdings sind Steuererleichterungen bzw. Ausnahmen von Förderabgaben, eine der grössten Kategorien von Produktionssubventionen, nicht Teil des Abkommens. ACCTS enthält auch eine Reihe von Ausnahmefällen, die möglicherweise als Schlupflöcher genutzt werden können.

Weiterhin enthält ACCTS Leitlinien zur Gestaltung von freiwilligen Umweltlabels, mit dem Ziel, die Qualität, Transparenz und Vergleichbarkeit zu verbessern, und damit Greenwashing vorzubeugen.

Zollkriege und Klimaskepsis

Die aktuelle geopolitische Lage könnte dem Unterfangen allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. In der allgemeinen Stimmung der Aufrüstung seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine scheint der Klimawandel in Vergessenheit geraten. Und mit Donald Trump dominieren Zölle und Feindseligkeit gegenüber internationalen Institutionen wie der WTO den Diskurs.

Trotz allem könnten sich in diesem volatilen internationalen Umfeld auch Chancen ergeben. Die Trumpsche Handelspolitik zeigt einmal mehr, dass Unsicherheit Gift ist für die internationale Wirtschaft. ACCTS bietet Rechtssicherheit und dient den Parteien als Plattform, um ihre Ambitionen im Klimabereich weiter zu schärfen. Und je mehr die USA als Handelspartner an Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit einbüsst, desto mehr Staaten könnten Interesse an einem Abkommen zeigen, welches Zölle senkt, und wettbewerbsfähige, klimafreundliche Industrien fördert.

Wer macht den ersten Schritt

Die klima- und nachhaltigkeitspolitische Wirksamkeit von ACCTS wächst mit der Anzahl Mitgliedsstaaten. Seit der Unterzeichnung versuchen die ACCTS-Parteien Zuwachs für das Abkommen zu gewinnen. Das Abkommen beinhaltet mehrere Übergangsbestimmungen, damit Beitrittskandidaten ihre Zölle schrittweise abbauen können, und bestehende Subventionen nicht von einem auf den anderen Tag wegfallen.

In erster Linie könnten sich in weitere kleinere, exportorientierte Staaten anschliessen. Norwegen zum Beispiel war schon bei den Verhandlungen dabei, und schliesst einen Beitritt nicht aus. Auch Länder mit tiefen Subventionen für fossile Energieträger und starkem erneuerbaren Energiesektor, wie zum Beispiel Uruguay, könnten Interesse an ACCTS zeigen. Für das Vereinigte Königreich könnte ein ACCTS-Beitritt eine sinnvolle Ergänzung der Neuausrichtung von Handels- und Industriepolitik nach dem Brexit sein. Im Freihandelsabkommen mit Neuseeland von 2021 hat das Vereinigte Königreich Bereitschaft gezeigt, fossile Energiesubventionen in internationalen Abkommen anzusprechen und zu regeln.

Die EU, als Schwergewicht sowohl in der Handels- als auch der Klimapolitik, wäre für ACCTS wohl einer der wichtigsten Zuwächse. Doch ob die EU sich einem solchen Abkommen anschliessen würde, wenn sie nicht als Teil der Verhandlungen ihre Interessen einbringen konnte, ist unklar. Zudem hat die EU mit aktuellen Herausforderungen, zum Beispiel dem Ukrainekrieg oder amerikanischer Zollpolitik, andere Prioritäten.

ACCTS ist eines der wenigen Handelsabkommen, welches explizit Handelspolitik und Klimawandel miteinander verknüpft. In Zeiten, in denen merkantilistisch anmutende Handelspolitik wieder Aufschwung hat, setzt ACCTS als innovatives und zukunftsgerichtetes Abkommen ein wichtiges Zeichen. Jetzt gilt es, trotz der Herausforderungen Momentum zu generieren und eine echte Alternative zu Klimaskepsis und Zollkrieg zu bieten.